Ballkleider Plus Size
Draußen regnet’s, in der Suite im Berliner „Soho House“ scheint die Sonne, obwohl die Vorhänge zugezogen sind. Grund für den plötzlichen Wetterumschwung ist Beth Ditto, eine 1,55 m große Dame von beträchtlichem Leibesumfang und ebenso ausufernd guter Laune. Eine „fette Lesbe aus Arkansas“ nannte sich die 35-Jährige mal selbst: Die ehemalige Sängerin der US-Band „Gossip“ wird von Heteros wie Homos verehrt für ihre gewaltige Stimme, ihre exzentrischen Performances und Outfits auf der Bühne wie im Leben und ihren buchstäblichen, unerschrockenen Ganzkörpereinsatz für die Rechte von Frauen und die queere Community. Ditto liebt Mode, Make-up und häufige Frisur- und Haarfarbenwechsel – die Modewelt liebt sie zurück dafür, sie ist ein gern gesehener Gast bei den Defilees von Jean-Paul Gaultier, Donatella Versace oder Marc Jacobs.
Dass sie auch selbst Mode machen kann, zeigt sie an diesem Tag in Berlin, sie hat ihre neue Übergrößen-Kollektion mitgebracht. Es ist ihre erste eigene, selbst finanzierte Modelinie nach einer Kooperation mit dem britischen Hersteller Evans im Jahr 2009. An zwei Kleiderstangen hängen die elf Kollektionsteile, darunter hautenge Bleistiftröcke und elegante, gefütterte Shiftkleider aus Baumwollstretch, Jumpsuits und Leggings in Größe 44 bis 58, oft mit auffälligen, farbenfrohen Prints. Die Sachen fassen sich gut an, anders als die im Übergrößen-Segment noch immer übliche Billigmode. Entsprechend sind die Preise: zwischen 58 und 350 Euro kostet eines der in den USA produzierten Stücke, erhältlich beim britischen Kaufhaus Selfridges oder online unter Media Beth Ditto, glockenhelle Stimme, kurzer erdbeerblonder Bob, rückt noch kurz ihre Extensions zurecht, und los geht’s.
ICON: Wenn man sich manche der großformatigen Prints in Ihrer Kollektion anschaut, denkt man: Unbedingt schlanker wird man darin nicht aussehen, im Gegenteil.
Beth Ditto: Das ist ja das Schöne daran! Meine Idee von Übergrößen-Mode ist nicht, dass die Frauen darin dünner aussehen sollen. Ich will, dass sie cool aussehen. Das wiederum bedeutet nicht, dass man eine Wespentaille haben muss. Es geht darum, sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass man zwar einen dicken Arsch haben darf – aber bitteschön nur dann, wenn er aussieht wie der von Kim Kardashian. In meinen Sachen darf man einen dicken Arsch haben. Punkt.
ICON: Also ist Ihre Kollektion nicht einfach nur Mode, sondern auch ein politisches Statement?
Ditto: Wenn ich Mode für dicke Frauen wie mich mache, geht es mir auch um die Frage: Was ist schön? Was ist ein schöner Körper? Die „Fat Positive“-Bewegung entwickelt sich nämlich gerade dahingehend weiter, dass wir irgendwann in der Situation sein werden, wo wir mit zweierlei Maß messen und darüber urteilen, was ein „guter fetter Körper“ ist: schmale Taille, dicke Brüste, perfekte Proportionen. Für mich widerspricht dieses Konzept allem, wofür diese Bewegung mal stand. Deshalb gibt es in meiner Kollektion neben vielen figurbetonenden Sachen auch ein paar Teile, die keinen „schönen Körper“ im herkömmlichen Sinn machen. Frauen sollen in meiner Mode zu raumgreifenden Frauen werden, statt sich hinter Shapewear zu verstecken.
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Es geht mir aber auch darum, bequeme Mode zu machen. Sachen aus schönen Materialien, die nicht nach zwei Wochen auseinanderfallen, weil sie irgendwo in einem asiatischen Sweatshop zusammengetackert wurden. Und Sachen, die von jemandem gemacht wurden, der aussieht wie du und deshalb deine Probleme mit Mode und der Passform von Kleidung kennt.
ICON: Der Bedarf scheint vorhanden, das wirtschaftliche Potenzial des Übergrößen-Markts wird weltweit auf 100 Milliarden Dollar geschätzt. Warum gibt es dann immer noch so wenig gute Mode für dicke Frauen?
Ditto: Ich glaube, weil Dicksein bis heute mit Scham gleichgesetzt wird. Jede Art von Mainstream-Mode ist von Sexismus geprägt. Jedes Mal, wenn wir Frauen uns angemaßt haben, nicht dem Bild zu entsprechen, das Männer von uns haben wollen, wurden wir dafür öffentlich schlechtgemacht. Genau diese Leute leiten aber die großen Unternehmen, die bislang den Markt für Übergrößen-Mode beherrscht haben. Und weil man sich in den Augen dieser Leute für sein Dicksein schämen soll, sah die Mode dementsprechend aus: nach Menschen, die sich schlecht fühlen, weil andere Menschen sie schlechtmachen.
ICON: Sie sahen nie so aus, vielmehr sind Sie berühmt geworden mit Ihren fröhlich-freizügigen Outfits. Wo hatten Sie die her?
Ditto: Jedenfalls nicht aus dem Laden! Früher habe ich mir viele Sachen selbst genäht, oder ich habe Vintage-Stücke umgeändert, bis sie mir gepasst haben. Vor zehn Jahren, als ich mit meiner Band unterwegs war, wurden wir ständig zu diesen TV-Shows und Preisverleihungen eingeladen, zu den „Brit Awards“ oder zum „Bambi“. Da musste ich mir jedes Mal ein Outfit anfertigen lassen, weil es in meiner Größe einfach nichts zu kaufen oder zu leihen gab.
Die Leute sind davon ausgegangen, dass ich wie alle anderen in meiner Garderobe einen Kleiderständer rumstehen hätte mit 100 Outfits von zehn verschiedenen Designern, von denen man sich das aussuchen kann, das einem am besten gefällt. Das war aber nicht meine Realität, nie! Deshalb freut es mich auch so, dass eine „American Idol“-Kandidatin vor Kurzem den transparenten Lamé-Jumpsuit aus meiner Kollektion getragen hat. Dass sie die Möglichkeit hatte, sich vor einem Fernsehauftritt etwas überzuwerfen, in dem sie sich wohlgefühlt hat, no big deal – das fand ich schon ziemlich toll.
ICON: Es ist viel passiert, seit Sie 2009 nackt auf dem Cover des „Love“-Magazins zu sehen waren: Es gibt eine lebhafte Diskussion über Körperbilder, mehr Übergrößen-Mode als je zuvor, Geschlechtergrenzen werden immer unwichtiger, auch in der Mode. Werden Dicke irgendwann gesellschaftlich akzeptiert sein?
Ditto: Was wir im Moment erleben, ist eine Zeitenwende. Die Dinge ändern sich tatsächlich, zum allerersten Mal. Der Grund dafür ist das Internet. Es gibt inzwischen eine riesige Community, in der sich dicke Frauen austauschen und gegenseitig unterstützen. Es ist großartig, das zu beobachten. Natürlich ist das Ganze auch ein Trend, aber verschwinden wird die Bewegung nicht mehr. Die Dicken sind gekommen, um zu bleiben.
ICON: Ist Mode das richtige Mittel, um eine solche Veränderung zu bewirken? Hat sie diese Kraft?
Ditto: Jede Art von Selbstdarstellung kann das erreichen. Schauen Sie sich doch mal an, was für eine große gesellschaftliche Bewegung vor ein paar Jahren aus Handarbeiten wie Stricken, Häkeln und Nähen entstanden ist. Die Do-it-yourself-Bewegung hat unglaublich viel getan für das Selbstbewusstsein von Frauen. Ich kann mich sehr gut damit identifizieren, weil ich das selbst immer gern gemacht habe. Es ist etwas, das ich gut kann, und dann macht es mir auch noch Spaß.
Für eine Feministin wie mich ist das etwas besonders Schönes: Eine Sache wie Handarbeiten zu nehmen, das Bild vom Heimchen am Herd, das so lange gegen uns gearbeitet hat. Und das dann umzudrehen und zu etwas Eigenem zu machen, das gegen das Patriarchat und gegen Frauenfeindlichkeit arbeitet. Das hat sehr viel Kraft. Mit der Mode ist es dasselbe. Wir tragen doch schließlich alle diesen Mist, also können wir uns unsere Mode doch auch gleich selbst machen!
ICON: Aber Sie wollen Ihre Mode schon verkaufen?
Ditto: Sicher. Trotzdem sage ich, dass es nicht unbedingt notwendig ist, Mode zu kaufen. Man kann sie sich selber machen. Neulich habe ich auf Instagram gesehen, dass eine Frau den Jumpsuit aus meiner Kollektion aus einem Müllsack nachgeschneidert hat. Ich habe das Bild in meinem Feed gepostet und jemand hat darunter kommentiert, dass das ja wohl ziemlich unhöflich gewesen sei – meinen Entwurf zu kopieren, aus einem Müllsack! Das habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Es ist mir total egal, ob jemand meine Sachen nachmacht, ob aus Müllsäcken oder sonst wie. Darum ging es doch auch gar nicht. Es sah einfach cool aus, besser als die meisten Klamotten, die man im Laden kaufen kann.
ICON: Ist das der Grund, warum Sie nach zwei Kollektionen für den Übergrößen-Hersteller Evans jetzt Ihre eigene Modelinie machen?
Ditto: Ich wollte diese Kollektion mit Evans damals unbedingt machen, weil ich von einer eigenen Modekollektion geträumt habe, seit ich ein Kind war und zu Hause mit meiner Schwester Ballkleider aus Bettlaken gemacht habe. Andererseits arbeitet man dann aber auch mit dem Topshop-Boss Sir Philip Green zusammen, zu dessen Imperium Evans gehört. Und sein Umgang mit Menschen- und Arbeiterrechten ist nun mal absolut widerlich. Deshalb habe ich damals zu mir gesagt: Wenn dieser Vertrag ausläuft, mache ich meine eigene Mode, zu meinen eigenen Bedingungen. Ich hoffe, dass ich diesen Status quo aufrechterhalten kann.
ICON: Ihre Kollektion wird in den USA statt in China und aus hochwertigen Materialien hergestellt. Diese Tatsache bewerben Sie allerdings nicht besonders offensiv.
Ditto: Das wollte ich ursprünglich machen, aber dieses Nachhaltigkeitsding hat einfach niemanden interessiert. Stattdessen haben mich viele Leute in der Fat-Activism-Community wegen der hohen Preise meiner Kollektion angefeindet – ich sei diese reiche Schlampe, die in ihrer Riesenvilla sitzt und ihren dicken Schwestern überhöhte Preise für Klamotten abknöpfen will. Das hat mich echt fertiggemacht. Können Sie sich vorstellen, wie schwer es ist, eine nachhaltige Übergrößen-Kollektion zu machen? Wenn man mit besseren Stoffen arbeiten will als mit diesem Plastikscheiß, der einem bei Primark angedreht wird? Und die Sachen nicht von Kindern, sondern von Frauen im New Yorker Garment District nähen lässt? Für Übergrößen braucht man außerdem mehr Stoff – und gute Leute, die damit umgehen können, weil die Schnitte viel anspruchsvoller sind.
ICON: Sie wurden überall herumgereicht in der Modewelt, auch heute sieht man Sie gelegentlich noch zwischen Magermodels auf dem Laufsteg. Haben Sie sich nie benutzt gefühlt von dieser Industrie, die jede Saison einen neuen Clown braucht, der sie bei Laune hält?
Ditto: Eine meiner liebsten Songzeilen von X-Ray Spex ist: „I am a poseur and I don’t care“. Ich fand es immer total cool, dass die Leute mich angestarrt haben – schließlich weiß ich ja selbst, wie seltsam ich bin. Es ist nicht so, dass das jemand über mich sagt – das bin ich. Und ich hatte das Gefühl, wenn mein Körper als Diskussionsgrundlage dafür dienen kann, dass sich andere Frauen irgendwann besser fühlen mit ihrem Aussehen, dann ist das ok. Ich bin eine Rampensau, eine Exhibitionistin, mir macht das nichts aus. Am Ende des Tages entscheiden ja nicht andere darüber, wie ich mich fühle, sondern ich selbst.
Und ich nutze die Modewelt, um meine eigene politische Bewegung voranzubringen. Vielleicht haben wir uns gegenseitig geholfen, vielleicht haben sie mich für ihre Zwecke benutzt, keine Ahnung. Jedenfalls habe ich mir dabei nicht gesagt: „Ich mache das, weil ich allen zeigen will, dass ich eine schöne, dicke Frau bin!“ Ich habe denen einfach gesagt: „Wisst ihr was? Let’s fucking do this!“ Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
ICON: Und was haben Sie von Ihren Designerfreunden für Ihre eigene Modelinie gelernt?
Ditto: Diese Leute haben mir nicht beigebracht, wie man Kleider schneidert. Sie sind eine Inspiration für mich, weil viele von ihnen aus genauso armen Verhältnissen stammen wie ich. Wenn man in einem Elternhaus aufwächst, in dem man traumatische Dinge erlebt, muss man sich schon als Kind seine eigene Realität, sein eigenes Glück schaffen. Das verbindet.
ICON: Im Unterschied zu vielen anderen dicken Frauen wirken Sie sehr selbstbewusst. Wie machen Sie das?
Mit ihrer Band Gossip hielt sich Beth Ditto 97 Wochen in den deutschen Charts. Jetzt war die Amerikanerin Stargast einer Schuhmesse in Düsseldorf. Denn mit Schuhen kennt sie sich offenbar gut aus.
Quelle: Zoomin.TV
Ditto: Es geht nicht darum, dass man theoretisch weiß, dass man als Frau selbstbewusst auftreten muss. Es geht darum, sein Selbstbewusstsein ständig zu trainieren, wie einen Muskel. Es ist Gehirntraining, und bedarf ständiger Aufmerksamkeit: Mit welchen Leuten umgebe ich mich? Welche Bücher lese ich? Durch welchen Filter sehe ich die Welt? Es geht darum, etwas bullshit zu nennen, wenn es bullshit ist. So vieles in unserer Welt wird vom Kapitalismus und vom Geld bestimmt. Man unterdrückt die Menschen und sorgt dafür, dass sie sich schlecht fühlen, sodass sie ständig dieses ganze Zeug kaufen, weil sie glauben, damit würde es ihnen besser gehen. Man muss laut sagen, dass das falsch ist. Deshalb mag ich die Idee mit der Mülltüte auch so gern.
ICON: Ihr größtes Stilvorbild ist Miss Piggy, die extrem selbstbewusste Schweinedame aus der „Muppet Show“. Was bewundern Sie an ihr?
Ditto: Sie kann Karate! Sie fährt Motorrad! Und in ihrer Beziehung hat sie die Hosen an. Ich habe schon als Kind verstanden, dass sie ähnlich tickt wie ich. Ich wollte nie wie „Miss America“ sein, sondern immer wie Miss Piggy. Ich wollte schon immer lieber durch Wände gehen können, als nur schön zu sein.
Beth Ditto, Sängerin und Aktivistin: Die in einem Trailerpark im amerikanischen Süden aufgewachsene Sängerin wurde als Kind gehänselt und missbraucht. Mit 18 zog sie an die Nordwestküste und gründete ihre Band „Gossip“. In deren Hit „Standing in the Way of Control“ prangert Ditto den Versuch des damaligen Präsidenten George W. Bush an, die Homoehe in den USA zu verhindern. Es kam anders: 2013 heiratete sie ihre langjährige Freundin, das Paar lebt in Portland.
Auch Melissa McCarthy hat eine eigene Plus-Size-Linie. Hier spricht sie über die Kostüme in ihrem neuen Film „The Boss“ und ihre Mode:
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