Ballkleider Günstig Hamburg
Hamburg. Langsam gleitet die weiße Stretch-Limo durch Hamburg. Im Fond sitzen junge Frauen in eleganten Abendkleidern, die mit langstieligen Gläsern anstoßen. Schnitt. Ein roter Teppich direkt am Jungfernstieg auf Höhe des Alsterhauses kommt ins Bild. Der Wagen hält, nacheinander klettern die fünf heraus. Strahlende Gesichter in Nahaufnahme, dann schweben rosa und weiße Luftballons in den Himmel.
Die Szene stammt aus einem Werbevideo für das Start-up Dein Ballkleid und läuft in Endlosschleife im Eppendorfer Ladengeschäft. Auf langen Kleiderständern hängen die Abendkleider nach Farben sortiert, zu Preisen zwischen jeweils 300 und 400 Euro. Jetzt, kurz vor Ende des Schuljahres, ist viel los in dem Laden mit hippem Ambiente: Es ist Abiball-Saison. Und Dein Ballkleid lockt nicht nur mit dem Versprechen, jedes Modell nur einmal zu verkaufen, um peinliche Roben-Doppelungen auf der Feier zu vermeiden, sondern ist auch ganz nah an den jungen Kundinnen dran. Der Shop mit Ablegern in Berlin, Köln und München gehört zur Hamburger Agentur Klangwart Eventmanagement, die sich mit Abiconnection auf die Zielgruppe der Abiturienten spezialisiert hat.
Auf der einen Seite die pulsierende Flaniermeile, auf der anderen der ruhige Innenhof, der nur den Bewohnern zur Verfügung steht. mehr
Rund um das, was man früher Reifeprüfung nannte, hat sich in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Programm mit zahlreichen Fixpunkten eingebürgert: vom vergleichsweise günstigen Abipulli bis zur Abireise. Krönender Höhepunkt ist für die meisten der Abiball, der sich nach dem Vorbild amerikanischer College-Abschlusspartys vielerorts zu einem pompösen Spektakel mit Kosten im fünfstelligen Euro-Bereich entwickelt hat. Motto: Abi ist schließlich nur einmal. Da kann man es ja mal krachen lassen, gerne mit Feuerwerk, Live-Band und Eistorte.
Das Ganze ist längst auch ein Riesenmarkt, an dem Veranstaltungslocations, Caterer, DJs, Modehändler, Friseure und sogar Limousinenvermieter verdienen. Allein in Hamburg haben im vergangenen Jahr 9768 Abiturienten ihre Reifeprüfung abgelegt, 2017 nehmen laut Schulbehörde 10.300 Schülerinnen und Schüler an den Prüfungen teil. Immer häufiger werden spezialisierte Agenturen mit der häufig sehr aufwendigen Organisation der Feste beauftragt. Nicht selten müssen Eltern bürgen, weil die jungen Auftraggeber noch nicht geschäftsfähig sind. Auch die Abi-Fahrten werden vielfach von Reiseveranstaltern mit Erfahrungen in dem Bereich gemanagt.
Am Gymnasium Ohmoor im Hamburger Stadtteil Niendorf hat das Abiball-Komitee vor mehr als einem Jahr mit der Planung angefangen. Die Vorstellungen waren ziemlich klar: „Große Location, alles edel gehalten und die Kleiderordnung chic mit langen Kleidern und Anzug“, sagt Josephine Philippou. Die 17-Jährige ist so etwas wie die Chefplanerin des Abiballs 2017. Nachdem sie mit ihren Anfragen bei verschiedenen großen Vermietern von Veranstaltungsräumen nicht weitergekommen war, hörte sie von Abiconnection. „Vielleicht wird es so etwas teurer, aber es ist auch sicherer für uns“, erklärt die Abiturientin, warum sich die Schüler letztlich für die erfahrenen Veranstaltungsmanager entschieden haben. Der Ball sei schließlich ein großes finanzielles Risiko. „Und wir haben keine Ahnung davon, und außerdem müssen wir auch unsere Prüfungen machen.“
Allein in diesem Jahr organisiert das Team von Abiconnection 40 Bälle für Schüler aus Hamburg und Umgebung mit bis zu 600 Teilnehmern, unter anderem in der beliebten Partylocation Edelfettwerk, im Hühnerposten oder auch im Fünfsternehotel Grand Elysee. „Wir bieten ein Komplettpaket“, sagt Kevin Kröpelin. Seit zwei Jahren ist er bei der Veranstaltungsagentur für die Sparte zuständig, die sich aus einer Discjockey-Vermittlung entwickelt hatte.
Das Grundangebot umfasst Raummiete, Musik und Catering, aber auch Sicherheitspersonal oder Parkplatz-Handling. Die Kosten pro Schüler liegen zwischen 55 und 80 Euro, je nach Veranstaltungsraum und Anzahl der Gäste. Weitere Services wie Getränkepauschale, Fotografen, Live-Band oder Feuerwerk können dazu gebucht werden. „Und wir beraten die Jugendlichen natürlich während des ganzen Prozesses“, sagt der 25-Jährige, der auch Sponsoring-Ideen parat hat und bei Finanzierungsproblemen unbürokratische Lösungen verspricht.
„Ich hatte schon Herzflattern, als wir den Vertrag unterschrieben haben“, sagt Abiturientin Josephine. Konkret war es in diesem Fall eine Mitschülerin, die bereits 18 Jahre alt war. Die Niendorfer Ohmoor-Gymnasiasten feiern im Edelfettwerk in Eidelstedt, die festgelegte Mindestgästezahl liegt bei 550. Der Jahrgang hat 175 Schüler, dazu kommen Eltern, Geschwister und Freunde. Entsprechend hoch war die Vertragssumme für das gebuchte Grundpaket, die in drei Raten bezahlt werden muss.
„Es wäre eine Katastrophe, wenn man darauf sitzenbleibt“, sagt die 17-Jährige und berichtet auch von dem hohen „Druck, das Geld zusammenzubekommen“. Für Frühbucher kosteten die Karten 80 Euro (Geschwisterkinder 65 Euro), mit Fristsetzungen und leichten Preiserhöhungen schafften es die Schüler, die erforderliche Zahl zu verkaufen. „Jetzt sind die Erwartungen natürlich hoch, dass es eine tolle Veranstaltung wird“, sagt Josphine.
22 Bälle für Abiturienten organisiert Abiconnection allein im Edelfettwerk, davon 15 an zwölf aufeinander folgenden Tagen. Direkte Buchungen von Schülern sind dort seit drei Jahren nicht mehr möglich. „Die jungen Leute sind nicht so firm mit der Organisation, das hat uns beschäftigt“, sagt Oliver Thiesen vom Edelfettwerk.
Die Location-Scouts sind ständig auf der Suche nach weiteren Veranstaltungssälen. „Die Nachfrage aus den Schulen steigt“, sagt Kevin Kröpelin. Seine Kollegin Jeanne Droßard beobachtet den Trend seit Anfang der 2010-er-Jahre. „Ein wichtiger Lebensabschnitt geht zu Ende, etwas Neues beginnt. Das soll schön zusammengefeiert werden“, fasst sie die Gründe für die wachsende Feierlust zusammen.
Die Zahl der Anbieter und Plattformen, die im Netz ihre Dienste offerieren, steigt laufend. In Hamburg hat sich auch die Agentur Dein Abiball am Markt etabliert. 20 Abschlussbälle für jeweils bis zu 600 Personen managt das Team um Geschäftsführer Daniel Matera in diesem Jahr, unter anderem in Locations wie der Golden Lounge in der City Nord und im Music House in Bramfeld. Der Veranstaltungskaufmann, der mit fixer und transparenter Preisgestaltung wirbt, ruft eine Spanne zwischen 50 und 75 Euro pro Schüler auf. „Natürlich verdient jede Seite daran“, sagt der 27-Jährige. „Aber entscheidend ist, dass der Ball funktioniert und der Qualitätsstandard gehalten wird.“
Viele Eltern, die ihren eigenen Schulabschluss mit einer kleinen Party mit einigen Kisten Bier und lauter Musik in der Turnhalle gefeiert haben, schauen dagegen ein wenig fassungslos auf die Vorstellungen ihrer Sprösslinge. „Die Schüler knüpfen mit den Feiern an die Tradition an, dem Abschluss der Schulzeit einen festlichen Rahmen zu geben“, sagt Professor Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen und spricht von einer „Abiball-Faszination“, die Einzug gehalten habe. „Es geht um das besondere Erlebnis, über das man berichten will.“ Denn natürlich ist der Abiball auch ein wichtiges Ereignis auf Snapchat und Instagram.
Allerdings, warnt der Hamburger Zukunftsforscher, müsse man die Kommerzialisierung kritisch sehen. „Es geht um einen finanziellen Rahmen, den sich längst nicht jede Familie leisten kann.“ So entstünde ein sozialer Druck, der nicht zu dem Ereignis passe. Eltern rät er deshalb, sich früh auf ein Budget zu verständigen, um die Planungen der Schüler im Rahmen zu halten. Die Entwicklung aufhalten werde das allerdings kaum. „Der Trend wird sich fortsetzen. Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.“ Dafür reiche ein Blick in die USA, wo die Abschlussfeiern traditionell noch deutlich aufwendiger gefeiert werden.
Auch die Schulbehörde reagiert auf die exklusive Feierlust. Allerdings, so Sprecher Peter Albrecht, seien Abibälle formell private Veranstaltungen, auf welche Schulen nur mittelbar oder gar keinen Einfluss hätten. Viele Schulleiter suchten aber rechtzeitig das Gespräch mit den Abiturienten, um auf eine moderate Preisgestaltung einzuwirken. Grundsätzlich, so der Sprecher, habe Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Schulen angewiesen, Abiturzeugnisse nur auf schulischen (und damit kostenlosen) Feiern zu übergeben, keinesfalls aber auf kostenpflichtigen Abibällen. Die Folge: Es gibt zwei Feiern.
Richtig ins Geld gehen kann auch die Abireise, für viele inzwischen ein weiteres Abi-Must. Der Hamburger Jugendreiseanbieter Jam! Reisen ist seit 13 Jahren in dem Geschäft und bietet die stark partyorientierten Pauschaltouren bundesweit an. Etwa 20.000 Abiturienten buchen bei den Experten im Jahr. „Die Nachfrage ist stabil“, sagt Mitgründer Tim Vogler. In Hamburg unternehmen in diesem Jahr elf Abi-Jahrgänge ihre Abschlussfahrt mit Jam! Reisen, deutschlandweit sind es 508. Die Topziele für den Strandurlaub mit Dauerparty sind etwa Lloret de Mar oder Calella an der spanischen Mittelmeerküste, aber auch Bulgarien oder Ungarn. Besonders beliebt ist die Kategorie vier Sterne, all inclusive.
Im Schnitt kosten die fünf- bis siebentägigen Touren 420 Euro inklusive Rahmenprogramm. Vorteil: Es gibt Betreuer vor Ort, die nicht nur die Zimmerbelegung managen, sondern auch bei Polizeieinsätzen nach wilden Partys, Streitigkeiten und sonstigen Ausfällen die Wogen glätten. Der Markt ist inzwischen hart umkämpft. Teilweise schicken Unternehmen ihre Mitarbeiter auch direkt zu den Schülern, um vor dem Schultor bei den jungen Erwachsenen zu werben. „Das Volumen ist gleich, aber die zunehmende Konkurrenz hat die Art des Vertriebs verändert“, sagt Jam!-Geschäftsführer Vogler, der über diese Art der Akquise sagt: „Das ist nicht unser Ding.“
Zum perfekten Auftritt gehört für einige Schüler, sich mit einer Stretch-Limousine zum Ball fahren zu lassen. Unternehmen wie Limo XXL oder Deine Limo werben gezielt um Hamburger Abiturienten. „Diese Buchungen kommen häufig vor“, sagt Kevin Tessmann von Limo XXL. Ab 180 Euro pro Stunde lassen sich die Luxus-Limos aus Seevetal mieten – wenn man eine bekommt.
„So wie wir geplant haben, passt es. Und es bleibt auch im Rahmen“, sagt Josephine, die Abiball-Planerin am Gymnasium Ohmoor. Auf Extras wie Feuerwerk oder Live-Band hätten sie bewusst verzichtet, um die Kartenpreise nicht unnötig in die Höhe zu treiben. Letztlich gehe es doch darum, mit Freunden und Familie zusammenzusitzen und einen schönen Abend zu haben. „So eine ganz große Sache muss man nicht daraus machen.“ Ein Kleid hat die junge Frau inzwischen schon im Schrank, trotz des angeboten Rabatts ist es nicht bei DeinBallkeid.de gekauft. Und auch bei der Anfahrt zur Party des Jahres ist sie klar sortiert: „Es muss nicht jeder mit Limousine vorfahren.“
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