Ballkleider Erlangen
Frisuren und Fußsohlen verraten das Alter – 29.01.2013 10:27 Uhr
NÜRNBERG – “Ich hangle mich von Puppe zu Puppe und von Kleid zu Kleid” schildert Susanne von Goessel-Steinmann ihre langwierigen Forschungen im Reich der Barbie-Puppen. Die Volkskundlerin, die im Auftrag des Nürnberger Spielzeugmuseums eine der umfangreichsten deutschen Sammlungen der weltberühmten Modepuppe inventarisiert, ist mittlerweile so tief in den Mythos dieses Puppen-Universums eingetaucht, dass ihre anfängliche Skepsis (“früher hätte man mich mit Barbies jagen können”) längst einer tiefen Faszination gewichen ist.
Die Volkskundlerin Susanne von Goessel-Steinmann hat sich in den vergangenen Monaten zur ausgewiesenen Barbie-Expertin entwickelt: Für das Spielzeugmuseum inventarisiert sie eine bedeutende Privatsammung der berühmten Modepuppen.
© Michael Matejka
Und außerdem der Erkenntnis, dass die zu bewältigende Aufgabe viel gewaltiger ist als zunächst angenommen. „Blonde Haare, blaue Augen, lange Beine“ – viel mehr würde einem Barbie-Ignoranten wohl auf Anhieb nicht einfallen, wenn er die seit 1959 produzierte Modepuppe beschreiben sollte.
Die Inventurblätter von Susanne von Goessel-Steinmann umfassen dagegen mindestens eine komplette DIN- A4-Seite: „1Barbie-Puppe, besondere schwarz-brünette Bubble-Cut von 1961“ steht da etwa zu lesen, versehen mit der Erklärung, dass der Name von einer besonders „aufgeblasenen“ Frisur herrührt. Es folgen Beschreibungen von Augen, Wimpern, Brauen, Mund, Gesichtsform und vielem mehr.
Die Anatomie der Puppe wie etwa die Frage, aus welchem Material die Frisur besteht und ob in den Fußsohlen Löcher für den Ständer eingeprägt sind, gewährt Aufschlüsse über Modell und Herstellungsjahr, ebenso wie die Analyse der Ausstattung, die in der Anfangszeit noch von Handarbeit und edlen Materialien geprägt war. „Es gab sogar einmal eine speziell für das US-Kaufhaus Sears gefertigte Serie mit echtem Nerzjäckchen“, weiß die Volkskundlerin, die sich ihr Wissen durch das Studium einschlägiger Sammler-Nachschlagewerke angeeignet hat.
„Ich glaube, dass Nürnberg stolz sein kann, diese Sammlung zu haben“, ist Susanne von Goessel-Steinmann überzeugt. Während man am Anfang noch von rund 1600 Puppen ausgegangen ist, liegen die Schätzungen mittlerweile bei über 2000 Exemplaren. Zusammengetragen wurden sie von der Tanzsportlerin Renate Schott, die Anfang der 90er Jahre vom Barbie-Sammelfieber infiziert wurde.
Die “Barbie-Familie” wurde im Laufe der Jahre immer größer: Nach Freunden und Verwandten kamen auch Berühmtheiten wie Audrey Hepburn…
© Michael Matejka
Ursprünglich wollte sie die Puppen nur kaufen, um an ihnen Tanz- und Ballkleider sowie historische Kostüme auszuprobieren. Ein Teil der daraus entstandenen Ausstellung „40 Jahre Barbie-World“ war zu Beginn des Jahres 2000 in Nürnberg zu sehen. Danach traten die Barbies eine gut zehnjährige Ausstellungs-Weltreise an, die sie bis nach Korea führte.
Nun – seit dem Erwerb der Sammlung durch die Stadt – lagern die Puppen in den Beständen des Spielzeugmuseums und warten auf ihre genaue Erfassung. Bisweilen ist dies gar nicht so leicht, denn die aktuelle Kleidung der Puppen muss nicht zwangsläufig diejenige sein, mit der sie seinerzeit verkauft wurden. Sind die Plastikpuppen diesen Aufwand überhaupt wert, ist eine Frage, die sich unwillkürlich aufdrängt. Susanne von Goessel-Steinmann, die selbst als Kind „nur eine Käthe-Kruse-Puppe“ besaß, würde dies mit einem uneingeschränkten „Ja“ beantworten.
In keinem anderen Spielzeug, ist sie überzeugt, spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklung, die Veränderung des Frauenbildes und modische Strömungen so vielschichtig wie in diesem weltberühmten Modepüppchen, das außerdem sogar eine deutsche „Mutter“ vorweisen kann: Ruth Handler, die Mitbegründerin von „Mattel“, entdeckte bei einer Europareise in den 50ern die nach einem Comic in der „Bild“-Zeitung entworfene „Bild-Lilli“ und kreierte nach diesem Vorbild Barbie als Inbegriff des „American Girls“.
…und Elisabeth Taylor hinzu.
© Michael Matejka
Wie komplex die Aufgabe in Wirklichkeit ist, das „Barbie-Universum“ in den Griff zu bekommen, hat Susanne von Goessel-Steinmann mittlerweile am eigenen Leib erfahren: Neben den Untersuchungen der vielen Details wie Ausstattung, Herkunft und Erhaltungszustand gilt es auch, die Exponate vor dem Zahn der Zeit zu schützen.
So führt bei alten Modellen etwa der kupferne Ohrschmuck zu einer Oxidation des Puppenkopfes (in Sammlerkreisen ist dieses Phänomen als „grüne Ohren“ bekannt). Auch die teilweise edlen Stoffe der Puppen-Kleider und die aufwendigen Frisuren drohen Schaden zu nehmen. Zu diesen Dingen berät sich Susanne von Goessel-Steinmann regelmäßig mit dem Restaurator.
Auch wenn es noch viele Monate dauern wird, bis alle Puppen erfasst sind und eine Ausstellung geplant werden kann, hat die Nürnberger Sammlung schon Interessenten angezogen: Andere Museen schickten Leih-Anfragen, besonders begehrt waren dabei die Barbie-Inkarnationen von Marilyn Monroe und die „Hardrock-Barbie“.
Clemens Helldörfer
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