Festliche Kleider Bei Adler
Genickbruch durch hohe Mieten? Immer mehr Einzelhandelsgeschäfte müssen in der Heilbronner Innenstadt schließen – wie jetzt auch das “Madison” im Klosterhof. Foto: Endres
Von Brigitte Fritz-Kador
Leerstände in Heilbronn – zuletzt die Hiobsbotschaft, dass der am Klosterhof eingemietete Textilfilialist “Madison” Insolvenz angemeldet hat und schließt. Der Strukturwandel im Handel geht an Heilbronn nicht vorbei. Vielmehr zeigt sich hier in fast bedrohlichem Ausmaß – und mitunter geradezu abstoßend. Geht man durch die Fleiner- und die Sülmer Straße, die “Konsumschläuche” der Stadt, sieht man mehr Pizzafladen und Döner im Mund der Passanten als Einkaufstüten in deren Händen.
Textileinzelhändler und Stadtrat Wolfgang Palm (CDU) hat die Situation des Einzelhandels aus Anlass der Diskussion um verkaufsoffene Sonntage dem Gemeinderat markig geschildert: “Der E-Commerce hat innerhalb von zehn Jahren 25 bis 30 Prozent Umsatzanteil erobert. Was zu Leerständen in den Citys führt, welche sich in den nächsten zehn Jahren ganz gravierend entwickeln werden.” Ein anderer Grund sind z.B. die Rabattschlachten, die, kaum hängt die Saisonware ein paar Wochen im Laden, immer früher einsetzen. Da wartet man doch lieber gleich auf ein “Schnäppchen” oder macht es so, wie es ein Heilbronner Textileinzelhändler schildert: Zwei Frauen kamen in sein Geschäft, ließen sich eine Stunden lang von einer Verkäuferin festliche Kleider zeigen, probierten am Ende zwei Favoriten an, fotografierten sich darin. Dann verließen die “Damen” das Geschäft, nachdem sie schamlos genug angekündigt hatten, sie würden jetzt mit den Fotos im Internet nach einer billigeren Angebot suchen.
Er habe sich kürzlich, so erzählt er, mit seinen Angestellten all die Namen von Textilgeschäften notiert, die es in den letzten 50 Jahren in Heilbronn gab und nicht mehr gibt: Man kam auf über 40.
Am Niedergang der Innenstadt trägt aber auch die Stadt selbst ein gerüttelt Maß an Schuld. Es sind die Unterlassungen der Vergangenheit, die sich jetzt rächen. Bestes Beispiel dafür ist die Lammgasse hinter dem Rathaus: Eine typische 1b-Lage, ideal für inhabergeführte Geschäfte mit anspruchsvollem Angebot für ebensolche Kunden. Die gab es hier, aber die meisten sind jetzt längst weg. Das Engagement dieser Einzelhändler “belohnte” die Stadt damit, ihnen beim Weindorf die Toilettenwagen vor die Ladentüre zu stellen, sie bei der Weihnachtsbeleuchtung im Dunklen stehen zu lassen. Die meiste Kasse scheinen hier die Politessen bei den Parksündern zu machen.
Der schon zitierte Textileinzelhändler, er möchte seinen Namen lieber nicht nennen, wirft der Stadt noch ein weiteres Versäumnis vor. Sie hätte Zeit, Raum und Gelegenheit genug gehabt, eine Alternative zum Breuningerland am Stadtrand zu installieren.
Da fällt schon auf, wenn einer aus der Textilbranche, der vor Jahren nach Heilbronn kam, dennoch expandiert: “Modepark Röther” lobt sich als Familienunternehmen “von Geschmack und Tradition” und für eine Expansion von 40 Filialen “von Kempten bis Rostock”. Wie geht das in dieser Zeit? Die Antwort, die man in Heilbronn darauf hat: Dahinter stehe eine örtliche Handelsgroßmacht.
Eine Entwicklung in der Stadt wird auch nicht thematisiert: Die Auswirkung der Leerstände auf dem Mietmarkt. Hausbesitzer müssen längst mit den Mieten runter gehen, bei sehr viel kürzeren Vertragslaufzeiten, was Investitionen in den Gebäudebestand nicht gerade befördert – oder sie verkaufen gleich. Zwei große Objekte in der Innenstadt sind derzeit im Gespräch, eines davon in der Kaiserstraße. In Ulm schließt demnächst das renommierte Modehaus Honer, seit Generationen im Familienbesitz, von der Bedeutung für die Stadt vergleichbar mit Palm in Heilbronn. Honer hat noch vor wenigen Jahren Millionen investiert, jetzt kam man zur Überzeugung, keine Zukunft mehr zu haben. Die ITG Düsseldorf, Projektentwickler des Klosterhofes, sucht einen Nachmieter für Madison, wer hier nachfolgt und zu welchen Bedingungen, ist offen. Das Wollhauszentrum lässt grüßen.
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